Zur Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts nach italienischem Recht

AG München, Urteil vom 05.12.2012 – 322 C 20245/12

Zur Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts nach italienischem Recht

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

IV. Der Streitwert wird auf 800 € festgesetzt.

Tatbestand
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Die Parteien streiten über restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 03.09.2011 zwischen Talamone und Grosetto in Italien.

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Beteiligt war das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … (im Folgenden „Klägerfahrzeug“), beim Unfall gefahren von dem Kläger, sowie das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … (Italien), beim Unfall gefahren von dem Beklagten zu 1) und haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2) (im Folgenden „Beklagtenfahrzeug“).

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Dass die Beklagtenseite für die unfallbedingten Schäden der Klageseite dem Grunde nach zu 100% haftet, ist zwischen den Parteien unstreitig.

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Streit besteht lediglich darüber, ob auch nach italienischem Recht eine merkantile Wertminderung erstattungsfähig ist.

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Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm die Beklagtenseite auch nach italienischem Recht die merkantile Wertminderung erstatten muss. Diese sei mit 800 € anzusetzen.

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Daneben macht der Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.

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Der Kläger hat zunächst beantragt, beide Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 800 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten zu verurteilen.

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Mit Schriftsatz vom 17.10.2012 hat er die Klage gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen.

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Der Kläger beantragt zuletzt:

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I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 800 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 03.07.2011 zu bezahlen.

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II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 74,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

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Die Beklagtenseite beantragt:

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Klageabweisung.

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Die Beklagtenseite ist u.a. der Auffassung, dass nach italienischem Recht eine merkantile Wertminderung nicht erstattungsfähig ist.

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Zur Ergänzung wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2012 und die übrigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der Kläger hat nach italienischem Recht gegen die Beklagte keinen weiteren Schadensersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Unfall.

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Anwendbares Recht

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Das italienische Recht ist auf den streitgegenständlichen Unfall sowohl für die Haftung dem Grunde als auch der Höhe nach anzuwenden, Art. 4 I, 15 Rom-II-VO.

20
Der Unfall ereignete sich in Italien. Die Beklagte zu 2) hat ihren Sitz in Italien. Der Kläger wohnt in Deutschland.

21
Ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien in einem Mitgliedstaat liegt nicht vor, Art. 4 II Rom-II-VO. Es bestehen auch ansonsten keine Umstände mit engeren Beziehungen beider Parteien zu einem Mitgliedstaat, Art. 4 III, Rom-II-VO.

22
Somit ist das Recht des Erfolgsorts (hier: Unfall in Italien) anzuwenden, Art. 4 I Rom-II-VO.

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Erstattungsfähigkeit der merkantilen Wertminderung nach italienischem Recht

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Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am klägerischen Pkw keine technische Wertminderung eingetreten ist, sondern dass Ersatz für eine rein merkantile Wertminderung begehrt wird.

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Die somit streitentscheidende Frage, ob eine rein merkantile Wertminderung nach italienischem Recht erstattungsfähig ist, war bereits Gegenstand eines Rechtsgutachtens des Instituts für Internationales Recht der Universität Rostock in einem anderen Verfahren (332 C 16413/08), so dass dem Gericht die streitentscheidenden Normen, sowie die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur in Italien diesbezüglich bekannt sind, § 293 ZPO.

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Als Anspruchsgrundlage kommt hier allein Art. 2043 des Codice Civile in Betracht. Nach italienischem Recht ist im Rahmen dieser Vorschrift eine Minderung des Verkehrswertes des Fahrzeugs unabhängig von einem Verlust der Leistungsfähigkeit (deprezzamento commerciale = merkantile Wertminderung) grundsätzlich anerkannt.

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Sie setzt aber voraus, dass der Schaden trotz fachgerecht durchgeführter Reparatur physisch noch weiter erkennbar ist und sichtbare Spuren auf dem Fahrzeug hinterlassen hat, etwa durch Schweißnähte oder Flickstellen (vgl. etwa Pret. Brindisi 23.11.84, AGCSS, 1985,804).

28
Die Klageseite wurde in der mündlichen Verhandlung vom 5.12.2012 darauf hingewiesen, dass diesbezüglich noch nichts vorgetragen ist. Ein weiterer Vortrag der Klageseite ist sodann nicht erfolgt, obwohl hierzu Gelegenheit bestand.

29
Da die Klageseite somit die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit einer merkantilen Wertminderung nach italienischem Recht nicht einmal vorgetragen, bzw. behauptet hat, war die Klage bezüglich der Hauptforderung abzuweisen.

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Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

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Mangels Hauptforderung besteht auch nach italienischem Recht kein Anspruch auf Ersatz der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten oder von Verzugszinsen.

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Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

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Streitwert

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Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

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